Page 11 - 3. Teil: Kratylos hat Recht - Kurt Olbrich
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hängig von einer emotionalen Situation,  d. h. kontrolliert  und
                                                immer klarer artikuliert  werden.

                                                Den Lauten wird irgendwann zum ersten Mal eine Konkretbedeu-
                                                tung zugewiesen.  Diese leitet sich aus der bisherigen Phänomen-
                                                bedeutung  ab. So wird bspw. der Laut O, der bis jetzt bspw. beim
                                                Blick in den Sternenhimmel oder beim Erscheinen  der Sonne am
                                                Morgen emotional ein Erstaunen  und Bewundern  zum Ausdruck
                                                gebracht hat, nun für alles benutil., was rund ist wie die Sonne oder
                                                das Firmament. So werden bspw. das runde Firmament  und die
                                                runde Sonne mit dem Laut O belegt, und dann auch die Bäume
                                                wegen ihres runden  Stammes, ebenfalls die Mundöffnung,  der
                                                After und der Po, eben alles, was eine runde Form besitzt. Alles,
                                                was dem Bedeutungsfeld,,Rundes"  angehört, wird mit dem Laut O
                                                zum Ausdruck gebracht.


                                                Der Vokal I wird ebenfalls  aus seinem Phänomencharakter  heraus-
                                                geflihrt und erhält weitere Bedeutungen, die auf den Phänomen-
                                                charakter  zurückgehen.  So wird dieser Laut, der ursprünglich  phä-
                                                nomenal flir Ekeliges, Erschreckendes und Bedrohliches steht, nun
                                                auch flir Scharfes,  Spitzes und Heißes benftzt, ntdem  auch für
                                                konkrete scharfe, heiße und spitze Dinge, wie bspw. Pfeilspitze,
                                                Faustkeil, Speer, Feuer, Finger, ZäI'ne  und Strahlen. Mit dem Laut
                                                I werden demnach nun alle Dinge angesprochen, die dem Bedeu-
                                                tungsfeld mit dem Oberbegriff  ,,Spitzes/  Scharfes/  Heißes"
                                                angehören.

                                                Der Laut A, der als Phänomenlaut  flir überraschend Positives  steht,
                                                steht nun flir alles, was irgendwie eine aufbauende Wirkung
                                                besitzt:  für Wasser, flir Nahrung  und femer flir alles, was flüssig
                                                                        -
                                                wie Wasser ist oder war  wie bspw. (Lava-)Felsen   -  oder weich,
                                                nass oder glänzend ist wie der Wasserspiegel  und die mit Wasser
                                                benetzten Dinge. Der Laut A wird demnach fi.ir alles benutzt, was
                                                dem Bedeutungsfeld,,Gutes,  Nahrhaftes,  Flüssiges"  angehört.
                                                Jeder Laut repräsentiert  nunmehr ein Bedeutungsfeld  und
                                                gleichzeitig die zum Bedeutungsfeld gehörenden Konkreta. Alle
                                                Individuen,  die an der neuartigen  lautlichen Kommunikation
                                                teilnehmen und die entsprechende Bedeutungsfeld-Zuweisung auf



                                                                                                            2t
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